Spotify unter Beschuss: Neues Bezahlmodell benachteiligt kleine Künstler – Schlagerstars profitieren trotzdem

Streaming statt CD und co. – das ist längst die Realität im Musikgeschäft. Plattformen wie Spotify dominieren den Markt und haben das Musikhören revolutioniert. Doch das neue Bezahlmodell des Streamingriesen sorgt in der Musikbranche für Ärger. Während etablierte Künstlerinnen und Künstler wie Helene Fischer oder DJ Ötzi teils sechsstellige Beträge mit ihren Songs verdienen, schauen Newcomer und Nischenacts zunehmend in die Röhre.
Helene Fischer und Co.: Schlagerstars kassieren kräftig ab
Die Spotify-Zahlen zeigen: Der deutsche Schlager lebt – zumindest auf der Streamingplattform. Helene Fischer etwa zählt über 5,3 Millionen monatliche Hörerinnen und Hörer. Laut einer Auswertung von Casino.ch könnte sie allein durch das Streaming ihrer Songs rund 9.900 Euro monatlich einnehmen. Ihr Megahit „Atemlos durch die Nacht“ wurde bereits über 179 Millionen Mal gestreamt, was insgesamt auf geschätzte Einnahmen von mehr als 600.000 Euro hinausläuft.
Doch Fischer ist nicht allein: Auch DJ Ötzi, Mickie Krause, Matthias Reim, Ikke Hüftgold, Roland Kaiser und Maite Kelly zählen zu den Spitzenverdienern der Schlagerszene auf Spotify. Besonders ihr Duett „Warum hast du nicht nein gesagt – Club Mix“ wurde über 61 Millionen Mal gestreamt – mit geschätzten Einnahmen von über 212.000 Euro. Monatlich verdienen Kelly und Kaiser laut Schätzung rund 4.200 bis 4.700 Euro – nur durch Spotify.
Das neue Bezahlmodell: Ein Problem für kleine Künstler
Seit Anfang 2024 gilt bei Spotify ein überarbeitetes Vergütungssystem: Nur Songs, die mindestens 1.000 Mal pro Jahr gestreamt werden, bringen überhaupt Geld ein. Alles darunter bleibt unvergütet. Laut Spotify selbst bleiben dadurch jährlich rund 40 Millionen US-Dollar an „Kleinstbeträgen“ ungenutzt – dieses Geld soll künftig an die erfolgreicheren Künstler umverteilt werden.
Was für Helene Fischer & Co. wie ein lukratives Nebeneinkommen aussieht, wird für kleinere Acts zur existenziellen Bedrohung. Newcomer, Independent-Künstler und experimentelle Projekte verlieren durch die neue Regelung fast vollständig den Zugang zu fairer Streamingvergütung.
Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates, kritisiert das System deutlich: „Was vermeintlich in der Nische sitzt, kann auch nicht entdeckt werden.“ (Quelle: Deutschlandfunk Kultur)
Kritik am Verteilungssystem – alt und neu
Bereits das bisherige „Pro-Rata“-Modell von Spotify galt als intransparent: Die Einnahmen aus Abo-Gebühren landen in einem gemeinsamen Topf. Spotify behält etwa ein Drittel selbst, weitere Anteile gehen an Labels, Musikverlage und Verwertungsgesellschaften wie die GEMA. Was letztlich bei den Künstlern ankommt, hängt stark von deren Verträgen und Rechteverteilung ab – laut einer Analyse des ZDF bleibt oft nur ein Bruchteil übrig.
Mit dem neuen Modell verschärft sich diese ungleiche Verteilung: Anstatt breiter zu streuen, konzentriert sich das Geld künftig noch stärker auf die ohnehin erfolgreichen Acts.
Fazit: Sichtbarkeit ja – Fairness nein?
Spotify bleibt trotz aller Kritik ein wichtiger Kanal, um Musik zu verbreiten. Für große Namen im Schlagerbereich funktioniert das System – sie profitieren sogar vom neuen Modell. Doch für alle, die sich gerade erst eine Fanbase aufbauen, wird es deutlich schwerer. Sichtbarkeit allein reicht nicht mehr aus, um auf Streamingplattformen auch fair bezahlt zu werden.
Wer Spotify als Musiker oder Musikblogger nutzen möchte, sollte sich der Spielregeln bewusst sein – und vielleicht auch alternative oder ergänzende Plattformen (z. B. Bandcamp, Patreon oder Direktverkäufe über eigene Websites) in Betracht ziehen.
Quellen:
– Analyse von Spotify-Daten durch Casino.ch
– Deutschlandfunk Kultur: Musikstreaming und neue Bezahlmodelle
– ZDF-Bericht zum Pro-Rata-Modell