Gitarre: Notenlesen lernen – finde endlich den Einstieg

Das Thema Notenlesen und nach Noten zu spielen ist für viele Gitarristen ein rotes Tuch. Das hat gute Gründe. Meist mangelt es aber nur an passendem Einstiegsmaterial.
Die Gitarre macht es einem wirklich nicht einfach nach Noten zu spielen. Selbst wer Noten lesen kann und auf anderen Instrumenten danach spielen, steht bei der Gitarre vor einem Buch mit sieben Siegeln.
Auch erfahrene und bereits professionelle Gitarristen schrecken vor dem Notenlesen zurück – oft ein ganzes Musikerleben lang. Es geht ja auch wirklich ohne, klar!
Wenn man mit Tabs, Akkorden und Griffbildern groß geworden ist, empfindet man Notenschrift eher als fremde Sprache. Und tatsächlich ist der Einstieg meist die größte Hürde.
Wider Erwarten helfen die zahlreichen Youtube-Tutorials, Workshops etc. nicht unbedingt weiter, den entscheidenden Einstieg zu finden.
Ich weiß, wovon ich spreche. Ich lerne seit einigen Jahren Akustik-Gitarre (immer noch auf Anfänger-Niveau -> Zeitfrage), spiele am liebsten und meistens nach Tabs, was mich allerdings selbst ärgert.
Tabs sind verführerisch. Mit ihnen kann man bekannte Songs nachspielen und hat schnell seinen Spielspaß.
Tabs haben aber eben auch ihre Nachteile: Die Notenwerte lassen sich nicht parallel zu den Tabs lesen und man fängt an den Rhythmus des Songs seiner Fingerfertigkeit unterzuordnen (die nächste Note kommt halt erst dann, wenn der Finger dazu bereit ist…).
Da man so keinen Überblick über das Griffbrett bekommt, weiß man auch nicht, was man tut – Hauptsache es klingt nach einem Song – und bleibt fixiert auf das Papier.
Ich schaue mir diesen Zustand bei mir schon eine ganze Weile lang an, habe immer mal den Ansatz versucht, parallel zu den Tabs auf die Noten zu schielen, aber es ist einfach zu komplex.
Tipp: Lade dir hier eine kostenlose PDF mit einer Übersicht aller Töne auf dem Griffbrett herunter!
Online hatte ich auch länger nichts gefunden, was den Einstieg erleichtert, die ersten Hürden nimmt. Also eine Anleitung, die nicht zu langweilig, langatmig, dröge, kompliziert, sondern einfach effektiv ist und Spielen und Lernen perfekt verknüpft.
Nun habe ich sie gefunden und möchte sie hiermit anderen Anfängern an der Gitarre nicht vorenthalten (Ein Anfänger Der Gitarre Hat Es schwer – übrigens).
Trommelwirbel:
Noten lesen lernen für Gitarristen 2 – Bonedo
Das Musikermagazin Bonedo hat so einige nette Tutorials im Package – nicht nur für Gitarristen – die angenehm „niedrigschwellig“ sind. Niedrigschwellig heißt sie schrecken nicht ab aufgrund eines umständlichen Aufbaus oder ellenlangen Ausführungen.
Auch Youtube-Tutorials können zwar gut gemeint und erstklassig sein, aber da man ständig zwischen dem Instrument und der Steuerung des Videos switchen muss etc. pepe, schaut man sie sich meist nur an und lernt nicht mit ihnen.
Bei Bonedo geht es direkt in medias res, ihr könnt sofort loslegen. Verschiedene Beats, Riffs, Solos, in kleine verdauliche Häppchen zerteilt, überschaubare Lernschritte mit Audio Sample: Wer kann dazu schon Nein sagen? Diese Lektionen sind nicht nur appetitlich, sondern auch schmackhaft. Und das alles kostenlos!
Was soll ich sagen, dank dieser ersten Übungen zum Notenlesen ist mir jetzt nach Jahren der Fixierung auf Tabs der erste Einstieg in das Geheimnis „Welche Note ist bei der Gitarre Wo?“, gelungen.
Die Einstiegsübungen von Bonedo verbinden direkt die Fingerarbeit mit der Notenschrift. Einfach ist es deswegen trotzdem nicht, weil es an der Gitarre ein ziemliches Hin- und Her ist, zwischen den Saiten, aber wenigstens ist im Kopf endlich mal ein Überblick vorhanden, welche Note man da gerade so zupft.
Audio Samples sind natürlich super zum Überprüfen ob man wirklich die richtige Note erwischt hat und sie sind auch gut, um den Rhythmus nicht der Fingerfertigkeit anzupassen.
Notenlesen können sagt nichts über die Qualität eines Musikers aus
Das muss auch betont werden, denn bekannterweise haben Björn und Benni von Abba ihre Welthits komplett ohne Notenkenntnisse geschrieben. Es reichte das Wissen über Akkorde und die eigene Musikalität.
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Viele weltberühmte Gitarristen wie Jimi Hendrix, Eric Clapton, Slash oder sogar Eddie Van Halen konnten und können keine Noten lesen – sie spielen rein nach Gehör, Erfahrung und Gefühl.
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In Stilen wie Blues, Rock, Pop oder Metal ist Notenlesen oft zweitrangig – entscheidend sind dort Timing, Sound, Ausdruck, Improvisation und Technik.
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Umgekehrt gibt es aber auch viele klassisch ausgebildete GitarristInnen, die exzellent vom Blatt spielen können, aber nicht improvisieren oder keine eigenen Soli entwickeln können.
Also: Der Musikalität tut es keinen Abbruch, wenn man an der Gitarre nicht komplexe Stücke vom Blatt spielen kann. Aber: Es erweitert halt enorm die Möglichkeiten und es kommt darauf an, was man spielen möchte.
Warum können so wenige Gitarristen nach Noten spielen?
Bei der Gitarre steht im Unterricht zurecht das Akkordspiel im Vordergrund. Dieses lernt man natürlich über Griffbilder. Während Klavierschüler und solche, die Blasinstrumente lernen, meist damit beginnen, einzelne Noten lesen und spielen zu können, fängt man bei der Gitarre anders an.
Melodien kommen auch meist viel später dran oder eben gar nicht, je nach Interesse des Schülers. Viele Gitarristen wollen nur begleiten und strummen, sie brauchen schlichtweg keine klassische Notenschrift zu lernen.
Dann kommt aber auch noch das Thema Tabs (Tabulaturen) hinzu. Wie gesagt, ersetzen sie das Notenlernen oft vollständig.
Zur Erklärung – was sind Tabs?
Ein Gitarren-Tab besteht aus 6 Linien, die die Saiten der Gitarre darstellen:
- Die unterste Linie ist die tiefe E-Saite
- Die oberste Linie ist die hohe e-Saite
Auf den Linien stehen Zahlen:
Die Zahl zeigt den Bund, den man greifen soll (0 = Leersaite, 3 = dritter Bund usw.)
Tabs haben den Vorteil, dass sie für Anfänger leicht verständlich sind, einen schnellen Zugang zu Songs ermöglichen, ganz ohne Notenkenntnisse und auch ohne Ahnung von Akkorden. (Achtung Falle! Durch das lustige Spielen nach Tabs vernachlässige ich auch das Erlernen der Akkorde)
Tabs sind im Übrigen keine moderne Erfindung, sondern es gibt sie bereits seit dem 15. Jahrhundert. Man hat sie aber erst in den 1950er Jahren wieder belebt, als der Rock n‘ Roll und damit die E-Gitarre gefragt waren.
Tabs sind eine wirklich praktische Spielhilfe, sie sagen dir aber nur „wo“ du greifen sollst, und nicht, „was“ du machst. Vor allem aber vernachlässigen sie Rhythmus und musikalische Struktur der Songs.
Tipp:
Bei ULTIMATE GUITAR TABS findest du einen Katalog mit über 1 Million Songs, kostenlos mit Akkorden, Gitarrentabs, Bass-Tabs, Ukulele-Akkorden und Guitar Pro Tabs!
Du kannst dir alle Songs, die du magst, als Tabs notiert ansehen und nachspielen – natürlich auch die Akkorde und die Notenschrift!
Dazu gibt es etwas merkwürdig klingende, aber hilfreiche Backing Tracks.
Zu den einzelnen Songs findest du verschiedene Notierungen und Ausarbeitungen mit Tabs von Usern.
Du kannst dir eine Version aussuchen, die deinem Lernniveau entspricht. (Es lohnt sich die einmalige Zahlung eines lebenslangen Abos, teste aber auch andere Anbieter wie Songsterr)
Klar, durch den komfortablen Zugriff online auf Tabs, gibt es noch weniger Gründe nach Noten zu spielen.
Ein weiterer Nachteil des Spielens nach Tabs: Man entwickelt schlechter ein Gefühl für Tonhöhen und Tonabstände. Das reduziertere Verständnis kann beim Songwriting und Solospiel oder Zusammenspiel mit anderen hinderlich werden. (Wenn die anderen Bandmitglieder Songs nach Noten komponieren und diese zum Nachspielen vorlegen)
Gründe, warum sich Gitarristen mit dem Notenlernen schwer tun:
- Es wirkt wie ein Rückschritt, wenn man schon recht gut ist.
- Erinnert an Schule oder autoritären Lehrstil im klassischen Musikunterricht.
- Die Gitarre ist ein sehr unübersichtliches Instrument. Beim Klavier hat jede Taste nur einen notierbaren Ton, bei der Gitarre kommt dieser mehrmals auf dem Griffbrett vor.
- Die meisten Gitarrenlehrer lehren nicht das Nach-Noten-Spielen.
- Viele Anfänger lernen Gitarre heute autodidaktisch mit YouTube oder Apps wie Yousician, JustinGuitar etc. – dort wird das Notenlesen meist ausgelassen oder optional behandelt.
- Wer nur für sich spielt, Lagerfeuerlieder begleitet oder in Bands nach Akkorden jammt, hat keinen unmittelbaren Druck, sich mit Noten zu befassen.
- Notenlesen wirkt für viele Gitarristen nicht alltagsrelevant – anders als bei Orchestermusikern, Pianisten oder Bläsern.
Pro Notenlesen lernen an der Gitarre:
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Notenlesen ist eine universelle Musiksprache – auch über das eigene Instrument hinaus (Komposition, Ensemblearbeit, Musiktheorie).
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Es kann helfen, neue Stücke schneller zu erfassen, sich freier auf dem Griffbrett zu bewegen, und komplexere Musik zu verstehen.
Contra Notenlesen lernen an der Gitarre:
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Manche Gitarristen befürchten, dass sie sich durch das Notenlesen zu sehr an den Notentext binden.
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Spontaneität, freies Spiel und Improvisation könnten darunter leiden, weil man „nur noch spielt, was das Blatt sagt“.
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Gerade in Pop, Rock oder Jazz steht oft das Gefühl, der Ausdruck und das Hören im Vordergrund, nicht die visuelle Umsetzung.
- Wer früh mit Notenlesen beginnt, neigt manchmal dazu, weniger auf das Gehör zu achten – nach dem Motto: „Wenn’s auf dem Papier steht, wird’s schon stimmen.“
Was nu? Soll ich oder soll ich nicht – Notenlesen lernen
Prüfe Zeitaufwand vs. Nutzen
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Wer Gitarre nur als Hobby spielt, einfache Songs begleitet oder in einer Coverband ist, braucht oft keine Notenkenntnisse, um Spaß zu haben oder gut zu klingen.
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Das Erlernen von Notenschrift kann viel Zeit kosten, ohne dass es im Alltag angewendet wird – das empfinden manche zurecht als unverhältnismäßig.
- Wenn du es aber irgendwann beherrschst, stehen dir eine Fülle an komplexen Musikstücken aus allen Genres zur Verfügung , die du so nachspielen kannst.
Besonders alte spanische Klassiker und Anleitungen zum Flamenco-Spiel findest du nur in Notenschrift notiert.