Live Music Fund Germany – Was steckt dahinter und warum geht’s uns alle an?

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Im September 2025 wurde beim Reeperbahn Festival offiziell der Live Music Fund Germany vorgestellt. Ab dem 1. Januar 2026 startet diese Initiative, getragen von der Bundesstiftung LiveKultur und unterstützt von über 50 Partner:innen aus Clubs, Festivals und der Musikbranche.

Die Idee: Gemeinsam – also Fans, Musiker:innen, Veranstalter:innen und Unternehmen – einen solidarischen Topf füllen, damit die Basis der Musikszene überlebt. Denn während große Stars Stadien füllen und mit Ticketpreisen in Rekordhöhe Schlagzeilen machen, kämpfen kleine Clubs und Festivals ums Überleben.

Warum braucht es den Fond?

Wer in den letzten Jahren in kleine Clubs gegangen ist, kennt die Situation:

  • steigende Kosten für Personal, Technik und Mieten
  • weniger Publikum, besonders bei Newcomer:innen und Nischenprogrammen
  • kaum Rücklagen, um riskante Konzerte überhaupt zu wagen

Kurz gesagt: Die Vielfalt steht auf dem Spiel. Ohne Unterstützung verschwinden kleine Bühnen – und mit ihnen die Orte, an denen Nachwuchsbands wachsen können.

-> Schaue dir hier die wirklich erschreckende Rote Liste an bereits geschlossener Clubs an!

Wie funktioniert der Live Music Fund?

Das Besondere: Es ist kein staatliches Programm, sondern eine Brancheninitiative. Finanziert wird er durch drei Quellen:

  1. Freiwillige Beiträge beim Ticketkauf
    Wenn du ein Konzertticket kaufst, kannst du freiwillig ein paar Euro extra geben. Sozusagen wie ein „Kulturtipp“. Niemand muss, aber jeder kann.
  2. Beiträge von Veranstalter:innen und Künstler:innen
    Auch sie können einen kleinen Anteil pro Ticket in den Fonds einzahlen.
  3. Unterstützung durch die Branche
    Clubs, Festivals oder Ticketplattformen beteiligen sich ebenfalls.

 

Carsten Brosda – Senator für Kultur und Medien, Hamburger Senat:

„Die Idee des Fonds liegt seit Jahren auf dem Tisch. Aus der Branche heraus
anzufangen ist ein wichtiger Schritt, jetzt müssen auch die Großen
mitziehen.“
„Wir dürfen nicht um das Instrument streiten, sondern um das Problem. Wer
heute von Superstars profitiert, muss helfen, die Basis zu sichern.“
„Der Musikmarkt wächst insgesamt, doch die Verschiebungen zugunsten der
Superstars sind enorm. Wir müssen uns fragen, wer in zehn Jahren diese
Superstars überhaupt noch sein werden. Deshalb brauchen wir eine Abgabe,
mit der Mittel von den großen Unternehmen abgeschöpft und wieder in die
Breite des Marktes zurückgeführt werden.“

Wohin fließt das Geld? – Die drei Fördersäulen

Die eingezahlten Gelder werden gezielt eingesetzt:

  1. Nachwuchs- und Clubförderung
    Unterstützung kleiner Spielstätten, Ersttourneen und Festivals. Hier schlägt das Herz der Livekultur – und hier wird Zukunft gemacht.
  2. Auslastungsversicherung
    Konzerte bis ca. 2.000 Besucher:innen können abgesichert werden. Das bedeutet: Wenn weniger Leute kommen als gehofft, springt der Fonds ein. So können Veranstalter:innen auch riskantere Acts buchen.
  3. Strukturelle Projekte
    Gefördert werden Maßnahmen zu Nachhaltigkeit, Inklusion, Diversität und Ausbildung – alles, was die Musikszene langfristig stabiler macht.

Was bedeutet das für dich als Fan?

  • Dein Konzertticket wird vielleicht bald die Option haben, mit 1–2 € mehr die Szene direkt zu unterstützen.
  • Dein Beitrag fließt nicht in eine anonyme Kasse, sondern direkt in Projekte, die Clubs, Festivals und Nachwuchskünstler:innen helfen.
  • Du trägst dazu bei, dass es auch in Zukunft neue Bands auf echten Bühnen gibt – nicht nur die ganz großen Stadionshows.

Beispiel: Stell dir vor, bei einem Festival mit 1.000 Besucher:innen legt jede:r 2 € drauf. Das sind 2.000 € für Nachwuchskonzerte oder die Absicherung von riskanten Shows. Also ein Bierchen oder Wässerchen weniger – und dafür gespendet.

Was bedeutet das für Musiker:innen und Veranstalter:innen?

  • Mehr Chancen: Newcomer:innen können eher gebucht werden, weil Clubs weniger Angst vor finanziellen Verlusten haben müssen.
  • Mehr Sicherheit: Konzerte, die sonst zu riskant wären, können stattfinden – auch wenn nicht sofort ein großer Name zieht.
  • Mehr Perspektive: Förderungen für Ausbildung, Sichtbarkeit oder nachhaltige Strukturen helfen, langfristig stabiler zu arbeiten.

Mit anderen Worten: Weniger Risiko – mehr Raum für Kreativität und Vielfalt.

Stimmen aus der Branche

Auf dem Reeperbahn Festival machten viele klar, wie wichtig dieser Schritt ist:

  • Clubbetriebe: „Unsere Umsatzrendite liegt unter 1 %. Junge Bands und Nischenprogramme können wir ohne Unterstützung kaum noch stemmen.“
  • Politik: „Wer heute von Superstars profitiert, muss helfen, die Basis zu sichern.“
  • Branchenvertreter:innen: „Ohne Clubs stirbt die Vielfalt – sie sind die Möglichkeitsräume für die Stars von morgen.“
  • Initiator:innen: „Die Stars von heute finanzieren die Stars von morgen. Wir hoffen auf die Solidarität der gesamten Branche.“

Gemeinsam die Zukunft von Live Musik sichern

Der Live Music Fund Germany ist mehr als nur ein Fördertopf – er ist ein Experiment für Solidarität in der Musikszene. Fans, Musiker:innen, Clubs und Veranstalter:innen tragen gemeinsam dazu bei, dass die Vielfalt erhalten bleibt.

Denn eines ist klar: Die großen Stars von morgen entstehen nicht in den Stadien, sondern in den kleinen Clubs von heute. Und genau dort setzt der Fonds an.

Zahlen und Fakten: So düster sieht es für die kleinen Clubs aus

(Pressemitteillung 14.05.25, LiveKomm)
Konzert-Zahlen 2024: Mega-Events boomen, Clubkonzerte stagnieren

Über 70 Millionen Besucher*innen bei 250.000 Konzerten bedeuten ein neues Allzeithoch – mehr Menschen als je zuvor haben 2024 in Deutschland ein Konzert besucht. Immerhin 63 % der Besucher*innen und somit der größte Teil, nämlich über 44 Millionen besuchten dabei Konzerte in Clubs mit einer Kapazität von bis zu 2.000 Besucher*innen.

Bei genauerem Hinsehen wird jedoch klar: Das Fundament der Livemusik bleibt geschwächt,
während Großevents boomen.
„Die Zahlen sind ein Weckruf mit zwei Botschaften: Ja, Livemusik lebt – aber sie wird an der Spitze fetter und an der Basis dünner,“ sagt Felix Grädler, Vorstand der Bundesstiftung LiveKultur sowie der LiveKomm. „Wir brauchen jetzt gemeinschaftliche Modelle wie den Live Music Fund Germany, um das Gleichgewicht im Ökosystem Livemusik wiederherzustellen.“

Clubkonzerte stagnieren – Großevents explodieren

Laut GEMA fanden über 91 % aller Konzerte im Jahr 2024 in Spielstätten mit maximal 500
Besucher*innen statt – das sind rund 228.842 Konzerte. Trotz eines leichten Zuwachses gegenüber 2023 liegt dieses Segment noch immer 5,9 % unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019.

Gleichzeitig haben Mega-Konzerte mit über 50.000 Besucher*innen um 56 % zugelegt – das stärkste Wachstum aller Größenklassen.

Besonders alarmierend: Im Cluster „bis 500 Besucher*innen“ liegt die durchschnittliche
Besuchendenzahl pro Konzert bei nur rund 122 Personen – deutlich unter einer wirtschaftlich
tragfähigen Auslastung.

Man könnte also auch sagen, dass die Live-Landschaft aus Grassroot Konzerten besteht, bei denen niemand ausreichend verdient. Das unterstreicht, wie dringend dieser Bereich strukturell gestützt werden muss.

Denn ohne kleine Konzerte, mit denen Newcomer zu kommenden Stars heranwachsen, werden auch Großevents künftig weniger werden – der „Circle of Live” wird zerstört.
„Diese Schieflage kann auf Dauer nicht gutgehen. Die Stars von morgen stehen in den Clubs von heute – aber genau dort fehlen die Mittel, um Risiken einzugehen und Newcomer*innen zu
fördern,“ so Karsten Schölermann, der Vorsitzende der Bundesstiftung Livekultur.

Neuer Finanzierungsansatz: Der Live Music Fund als Antwort aus der Branche

Die Bundesstiftung LiveKultur arbeitet gemeinsam mit der LiveKomm, dem Bundesverband der
Musikspielstätten, und anderen Branchenverbänden und Veranstalter*innen aus der
Livemusikbranche an einem freiwilligen Gemeinschaftsfonds – dem Live Music Fund Germany.

Er soll u. a. durch kleine Ticketabgaben bei Großkonzerten finanziert werden und gezielt Clubkonzerte, kleine Festivals und Nachwuchstourneen fördern. Dabei wollen v.a. die Ticketing-Anbieter einen Beitrag leisten – das Publikum kann sich optional daran beteiligen.

„Wenn 228.000 kleine Konzerte das Rückgrat unserer Musikkultur bilden, brauchen wir eine
wirtschaftliche Absicherung dieser Vielfalt. Die großen Player profitieren längst wieder – jetzt ist
der Moment, in die Zukunft zu investieren“, erklärt Grädler.

Die Bundesstiftung ruft Politik, Ticketing-Plattformen und große Veranstalter*innen auf, sich am
Aufbau des Fonds zu beteiligen. Erfreulich wäre es zudem, wenn sich auch Profiteure des „Live
Boom“, wie die GEMA, die auch dank steigender Erträge im Bereich „Live“ profitiert, am Fonds aktiv beteiligen und somit in den eigenen Nachwuchs investieren würden.

Denn die aktuellen Zahlen zeigen: Wer nur auf die Spitze der Pyramide setzt, riskiert das
Fundament der Livemusik in Deutschland.

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